Triumphaler „Lobgesang“ überwältigt Publikum

5. April, 2017
Der Chor hat das Orchester geradezu locker weggeblasen und für ein überwältigendes Klangerlebnis gesorgt. Foto: Wolfgang Meutsch

Christopher Brauckmann setzt mit drei Chören, Orchester und Solisten ein musikalisches Ausrufezeichen

Ralf Tiemann
Iserlohn. Das war mal ein Choreinsatz. Mit verhaltenen Streicherfiguren begann der Hymnus „Hör mein Bitten“, den Christopher Brauckmann der Aufführung des „Lobgesangs“ von Mendelssohn voran gestellt hatte – gefolgt von einem elegischen Sopran-Solo, bei dem noch zu befürchten war, dass sich die Musik im enormen Hall der riesigen Aloysius-Kirche verfängt.
Doch dann krachte der Chor hinein – eine echte Breitseite frontal von vorne, satt und mit ungeahntem Wums aus knapp 100 Kehlen, der das Publikum im fast ganz gefüllten Mittelschiff der Kirche vom ersten Moment an tief beeindruckte. Es kommt durchaus schon mal vor, dass große Chöre Probleme haben, sich gegen die Lautstärke eines ausgewachsenen Sinfonieorchesters durchzusetzen.

Am Sonntag waren die Kräfteverhältnisse aber anders verteilt: Der Chor hat das Orchester geradezu locker weggeblasen und – bei allen akustischen Problemen, die die Aloysius-Kirche zweifellos hat – für ein überwältigendes Klangerlebnis gesorgt.

„Lobgesang“ als katholischer Beitrag zum Reformationsjahr
Mendelssohns „Lobgesang“ hatte Dekanatskantor Christopher Brauckmann für seine mit Spannung erwartete Premiere eines großen, sinfonischen Chorwerkes auf den Plan gesetzt – und das aus guten Gründen. Zum einen hatte Mendelssohn selbst das Werk für die Feierlichkeiten rund um das Jubiläum 400 Jahre Buchdruck 1840 in der Leipziger Thomaskirche geschrieben und ihm als überzeugter Protestant mit Blick auf die Gutenberg-Bibel einen klaren reformatorischen Anstrich gegeben. Die Entscheidung, das Werk nun 2017 im Luther-Jahr als katholischen Beitrag im Reformationsjahr erklingen zu lassen, war also nachvollziehbar.
Zum anderen hatte Mendelssohn das Werk aber auch als Großspektakel angelegt. Von mehr als 500 Sängern und Musikern in der Thomaskirche berichten die Chronisten – ein riesiger und donnernder, triumphaler und geradezu ohrenbetäubender Lob Gottes.
Und gerade dieser spektakuläre Zug des Werkes kam Christopher Brauckmann ebenfalls sehr zupass, konnte er doch so nach langer Durststrecke das neues Kapitel der katholischen Kirchenmusik in Iserlohn mit einem unüberhörbaren Ausrufezeichen aufschlagen.
Drei Chöre – der Bach-Chor Hagen, der Invitation-Chor Herne und der Kammerchor im Pastoralverbund Iserlohn – hatten sich dazu zu einem großen Klangkörper zusammengefügt, der die Herausforderungen des Stückes vom weichen Choral „Nun danket alle Gott“ bis zum schallenden „Alles was Odem hat, preiset den Herrn“ ausgesprochen frisch, sauber und präzise, vor allem aber enorm kraftvoll meisterte. Ihm zur Seite standen die Bayer-Philharmoniker aus Leverkusen und mit Franziska Ringe (Sopran), Anna-Doris Capitelli (Mezzosopran) und Michael Ha (Tenor) drei junge und bestechende Gesangssolisten, die für die besonderen Glanzlichter des Konzertes sorgten.
Tänzerisches, geradezu elektrisiertes Dirigat
Die Gesamtleitung hatte am Sonntag Christopher Brauckmann. Das Iserlohner Publikum hatte also Gelegenheit, den Kantor an St. Aloysius erneut von einer ganz neuen, vielleicht von seiner allerbesten Seite kennen zu lernen. Mit tänzerischem, geradezu elektrisiertem Dirigat behielt er in diesem stürmischen, drängenden und aufbrandenden romantischen Klang-Rausch immer fest das Ruder in der Hand – immer anschiebend, antreibend und fordernd.
Am Ende waren nicht nur die Sängerinnen, Sänger und Musiker spürbar beglückt. Vielmehr setzte das Publikum in Sachen Lautstärke nochmal einen drauf, erhob sich geschlossen von den Bänken und spendete minutenlangen, jubelnden Applaus.

 

 

 

 

Iserlohner Kreisanzeiger vom 8.4.2017