Wie war das noch mal – Freude?

1. Mai, 2021

Die musikalischen Andachten in der Aloysius-Kirche sind derzeit das einzige konzertante Format weit und breit – ein Geschenk für Musiker und Publikum in düsteren Zeiten

Sieht leer aus, war unter Corona-Bedingungen aber im Grunde voll. Mehr als 70 Gäste dürfen die Andachten in St. Aloysius derzeit nicht besuchen.

Ralf Tiemann

Iserlohn „Zuhören, runterkommen, vielleicht sogar Freude“ – es mischte sich eine gewisse Art von Ungläubigkeit in die Begrüßungsworte von Martin Niedzwiecki. Ungläubigkeit darüber, dass er sich als Musiker tatsächlich auf einer Bühne befindet, dass da ein Live-Publikum vor ihm sitzt, und dass man gemeinsam in dieser düsteren Zeit sogar so etwas wie Freude empfinden kann. Man ist in diesen Dingen ja wirklich ein wenig aus der Übung gekommen.

Die musikalischen Andachten in der Aloysius-Kirche, zu denen Iserlohns Kantor Tobias Leschke seit März regelmäßig einlädt, sind das einzige Format weit und breit, bei dem das derzeit unter strengen Hygiene-Auflagen, mit größten Abständen im Publikum und angereichert mit Gebeten und Gedanken zum jeweiligen Anlass möglich ist. Seit einem halben Jahr gibt es ansonsten nichts, was auch nur entfernt an ein Konzert erinnert.

Am Donnerstagabend zum Start in den Marienmonat Mai war nun das von Niedzwiecki geleitete Hemeraner Klarinetten-Quartett zu Gast und hatte Musik von „Beethoven und seinen Freunden“ im Programm. Musik aus der Wiener Klassik also, die dem frühlingshaften Anlass entsprechend Freude pur ausdrückte, leicht, elegant, beschwingt und voller Witz – quasi ein Klang gewordenes „Es geht bergauf“.

Genau auf ein solches „Es geht bergauf“ hofft nun auch Martin Niedzwiecki sehnlicher als auf sonst etwas. „Mir fehlt die Musik und mir fehlen die Auftritte“, sagt der ehemalige Leiter der Musikschule Hemer, der in besonderem Maße von der Pandemie ausgebremst wurde. Im August 2019 war er in den Ruhestand gegangen. Nach einigen Monaten des Selbstsortierens wollte er eigentlich im vergangenen Frühjahr als Musiker wieder richtig loslegen: Der Orchesterverein Hemer, zwei Männerchöre und natürlich die klassische Musik als Klarinettist vom Duo bis hin zu seinem Quartett. „Ich hatte so viel vor“, sagt Niedzwiecki, der keine musikalischen Schranken und Scheuklappen kennt, weswegen ihn die Schranken der Pandemie auch besonders hart getroffen haben. „Wer so gestrickt ist wie ich, will einfach nur spielen“, sagt er. Anfragen und Gelegenheiten hätte es eigentlich genug gegeben, keine davon konnte er wegen Corona umsetzen – kein einziger Auftritt seit einem Jahr.

Musikprogramm auf höchstem Niveau

Umso dankbarer waren er und seine Quartett-Partner Birgit Maiworm, Noriko Kirch und Klaus Leser nun darüber, dass Tobias Leschke diese Andachten mit Gebeten möglich macht. Natürlich wäre dieses Programm eigentlich ein Fall für das Pankratius-Forum gewesen. In der riesigen Kirche ist immer zu befürchten, dass sich die Klänge gerade in den schnellen Sätzen im hohen Gewölbe verhaken und überlagern. In der Tat ging im Vergleich zur kammermusikalischen Situation in einem kleinen Saal Einiges an Transparenz und Klarheit verloren – besonders auffällig sicherlich bei Beethovens berühmtem Kopfsatz der fünften Sinfonie (ta ta ta ta) mit den schnellen fugenartigen Einsätzen durch alle Stimmen. Aber selbst dieses Extrem-Stück hat großen Spaß gemacht. Was für die langsamen und eher lyrischen Sätze von Mozart, Haydn oder Karl Ditters von Dittersdorf erst recht galt.

Seit Februar ist es Berufsmusikern wieder gestattet, zu fünft und bei entsprechendem Abstand zu proben, was das Klarinetten-Quartett auch im großen Saal des Casinos am Sauerlandpark genutzt hat. Und dabei haben sich die vier Musiker natürlich gezielt auf diesen einmaligen Corona-Auftritt vorbereitet, was am Donnerstag auch hörbar war. Musikalisch einwandfrei, dynamisch bewegt und sehr sauber im Zusammenspiel bot das Quartett ein Programm auf höchstem Niveau.

Freude am Spielen und Freude am Genießen

Noch positiver fiel aber ins Gewicht, dass all das überhaupt möglich war. „Musizieren zu dürfen, ist wirklich ein Geschenk“, bemerkte Martin Niedzwiecki am Ende. Und Musik hören zu dürfen, ist auch ein Geschenk, was nicht nur der sehr gute Besuch, der die 70 erlaubten Plätze fast ausschöpfte, sondern auch der tosende Applaus am Ende bewies. Und da war sie dann auch unübersehbar wieder da, die Freude: Spielfreude bei Musikern, und Freude am Genießen beim Publikum – geht doch noch.

Am Sonntag, 23. Mai, geht es um 17 Uhr mit den musikalischen Andachten in der Aloysius-Kirche weiter. Die Organistin Franziska Classen aus Unna spielt dann unter dem Titel „Komm, heiliger Geist“ geistliche Musik zum Pfingstfest.