Alle Beiträge von Leschke

Dreiklang der Kirchen in Harmonie

15. Juni, 2021

Führungen, einen Spaziergang und vor allem viel Musik bot am Sonntag der Westfälische Orgeltag, der in Iserlohn erstmals ökumenisch veranstaltet wurde

Besondere Kirche, besondere Führung: Hanns-Peter Springer erläutert dem zehnjährigen Pascal und seiner Mutter, die auf der Empore stehen, Besonderheiten der Reformierten Kirche.  Tim Gelewski

Tim Gelewski

Kantor Tobias Leschke griff diesmal in der Obersten Stadtkirche in die Tasten.  Privat

Iserlohn So klingt dann wohl Ökumene: Im Rahmen des Westfälischen Orgeltages stand am Sonntag vor allem in der Innenstadt alles im Zeichen dieses besonderen Musikinstruments. Die Evangelische Kirche von Westfalen hatte gemeinsam mit den drei katholischen Bistümern und zahlreichen Partnern zu rund 120 Veranstaltungen eingeladen. Trotz aller Einschränkungen durch das Coronavirus sollte der Tag so weit wie möglich in Präsenz stattfinden.

In Iserlohn standen am Sonntag Orgelführungen in der Reformierten Kirche und ein Orgelspaziergang mit Andachten und den Stationen St. Aloysius, Oberster Stadtkirche und Bauernkirche auf dem Programm. „Wir haben gemerkt, dass das ökumenische Format funktioniert“, erklärt später Dekanatskator Tobias Leschke, der im Rahmen der Ökumene nicht wie gewohnt in St. Aloysius, sondern in der Obersten Stadtkirche in die Tasten griff. Einzig die Uhrzeit 15.30 Uhr für den Auftakt habe sich als überdenkenswert erwiesen. Waren es an Station zwei in der Obersten Stadtkirche gut 45 Besucher und zum Abschluss in der Bauernkirche etwa 60, waren es in St. Aloysius noch einige weniger gewesen. „Die Planung steht im Grunde seit drei Jahren. Da wussten wir noch nichts von Corona oder dass die EM verschoben wird“, nennt er mögliche Gründe. Nichtsdestotrotz sagt er: „Die Grundidee hat funktioniert.“

Die drei Stationen des Spaziergangs zwischen den fußläufig nur wenige Minuten voneinander entfernten Kirchen hatten dabei jeweils einen eigenen musikalischen und textlichen Schwerpunkt. Schöpfung, die Orgel singt, Glocke – so lautete hier der thematische Dreiklang, an Station drei gestaltet von Ute Springer und an Station eins von ihrem Mann Hanns-Peter Springer.

Letztgenannter war es auch, der bereits am Mittag vor dem Auftakt der Spaziergänge Führungen (mit Anmeldung) in der Reformierten Kirche anbot. „Entweder fasziniert die Besucher die Technik, oder die Musik, oder beides“, ist er sicher.

Ähnlich sieht das wohl auch Julia Heller, die mit ihrem zehnjährigen Sohn Pascal gekommen ist. „Ich unterrichte musikalische Früherziehung, er ist sowieso zuhause immer von Musik umgeben“, begründet sie ihren Besuch. Wobei Pascal vor allem die Technik und die schiere Größe des Instruments zu begeistern scheine. „Um die 1000 Pfeifen hat die Orgel“, erklärt Springer, zudem auch einiges Überraschendes: „Die, die man vorne sieht, klingen überhaupt nicht.“ Die Erbauer des Instruments hatten offenkundig nicht nur den Klang im Ohr, sondern auch die Optik im Auge.

„Wir wollten zeigen, wie vielfältig die Orgel ist“

Ein Höhepunkt vor allem für Pascal ist dann Springers Erläuterung des Kalkanten-Begriffs. Bevor es nämlich Elektromotoren gab, mussten zumeist junge Männer die Luft mittels eines Blasebalgs in die Orgel befördern. „Bis zu 16 Personen waren für 50 Register nötig“, erklärt Springer. Und schaltet den Motor ab, damit Pascal und seine Mutter selbst Hand anlegen dürfen – allerdings nur für ein Register, sonst wäre das womöglich doch zu schwierig.

„Wir wollten einfach zeigen, wie vielfältig die Orgel ist. Musikalisch, architektonisch, handwerklich – ein musikalisches Kunstwerk“, erläutert Kantorin Ute Springer noch allgemein die Intention der Planungen des Orgeltages, der nach 2018 zum zweiten Mal und erstmals ökumenisch stattfand. Dies dürfte wohl gelungen sein.


Bahnbrechender Vorstoß aus der Musik in Iserlohn

6. Juni, 2021
 
Ute und Hanns-Peter Springer laden zusammen mit Tobias Leschke (re.) zum zweiten westfälischen Orgeltag ein – dieses Mal im ökumenischen Format.

Ute und Hanns-Peter Springer laden zusammen mit Tobias Leschke (re.) zum zweiten westfälischen Orgeltag ein – dieses Mal im ökumenischen Format.

Foto: Ralf Tiemann

Iserlohn.  Am 13. Juni laden die Kirchenmusiker beider Konfessionen zum ökumenischen Orgeltag Westfalen ein.

Offensichtlich ist unter Musikern einiges unkomplizierter als in anderen kirchlichen Bereichen. Denn wieder sind es die Musiker beider Konfessionen, die in der Ökumene voranschreiten. So wie die Kirchenmusiker in Iserlohn schon vor vielen Jahren mit ihrem gemeinsamen Jahresprogramm Maßstäbe für die Ökumene in der Stadt gesetzt hatten, wird Ute Springer nun auch auf landeskirchlicher Ebene ökumenische Vorreiterin. Dort hatte sie schon 2018 den ersten westfälischen Orgeltag als rein evangelisches Projekt initiiert. Die zweite Auflage hat sie nun auf höchster kirchlicher Ebene auf ökumenische Füße gestellt: Mit an Bord sind beim diesjährigen Orgeltag am 13. Juni auch die drei katholischen Bistümer Westfalens – Paderborn, Essen und Münster.

Rund 120 dezentrale Aktionen in ganz Westfalen

„Ich bin sehr glücklich, dass die Kirchenmusikreferenten der drei Bistümer alle mitmachen und ihre Basis für diesen Tag aktivieren.“ Ihr Mann, Kreiskantor Hanns-Peter Springer, spricht von einem bahnbrechenden Vorstoß, den es sonst in keinem Bereich gebe. „Das sind neue Wege aus der Musik, die nun auch von anderen beschritten werden können.“

Die Idee ist dabei die gleiche geblieben wie bei der Premiere von 2018. „Wir wollen die Orgel von der Empore holen und in den Mittelpunkt stellen“, sagt Ute Springer. „Wir wollen zeigen, dass die Orgel nicht nur für alte Musik da ist, sondern sehr lebendig sein kann und Relevanz für die Menschen von heute hat.“ Auch, weil die Orgel es natürlich zunehmend schwer hat. Klavier, Bands und Popmusik halten immer mehr Einzug in die Kirchen. Es gebe deutliche Einbrüche beim Orgelnachwuchs, sagt Ute Springer.

Auch das erfolgreiche Rezept von vor drei Jahren wird beibehalten. Damals – ein Jahr, nachdem die UNESCO die Orgelbaukunst zum Weltkulturerbe erklärt hatte – gab es in ganz Westfalen viele kleine und große dezentrale, konzertante und pädagogische Aktionen, die auf den Orgelschatz in den Gemeinden hinwiesen – auch in Iserlohn. So soll es auch am Sonntag, 13. Juni, sein, auch wenn Corona eine enorme Einschränkung ist und die Planung erschwert hat. Erst vor sechs Wochen fiel der Beschluss, dass der Orgeltag definitiv stattfinden soll. Daher ist immer noch vieles im Fluss, die Beteiligung ist aber erneut enorm groß: Rund 120 Veranstaltungen stehen bereits in ganz Westfalen fest.

 

In Iserlohn nimmt dem ökumenischen Gedanken folgend auch der katholische Kantor Tobias Leschke teil und lädt zusammen mit Hanns-Peter Springer zum Orgelspaziergang durch Iserlohn ein. Das Motto lautet: 5 Orgeln, 4 Kirchen, 3 Kantorinnen, 2 Konfessionen, 1 Gedanke – „Gott loben, das ist unser Amt!“

Das Angebot am 13. Juni in Iserlohn

12-14.20 Uhr : Sechs 20-minütige Orgelführungen für Einzelhaushalte (maximal vier Leute) in der Reformierten Kirche mit Hanns-Peter Springer.

15.30 Uhr: Orgel-Andacht in St. Aloysius mit Hanns-Peter Springer an der Feith-Orgel.

16.30 Uhr: Orgel-Andacht in der Obersten Stadtkirche mit Tobias Leschke an der Schuke-Orgel.

17.30 Uhr: Orgel-Andacht in der Bauernkirche mit Ute Springer an der Grenzing-Orgel.

Alle Veranstaltungen finden unter Corona-Regeln statt. Das Publikum ist begrenzt. Anmeldungen sind ab Samstag unter www.kantorei-iserlohn.de möglich


Wie war das noch mal – Freude?

1. Mai, 2021

Die musikalischen Andachten in der Aloysius-Kirche sind derzeit das einzige konzertante Format weit und breit – ein Geschenk für Musiker und Publikum in düsteren Zeiten

Sieht leer aus, war unter Corona-Bedingungen aber im Grunde voll. Mehr als 70 Gäste dürfen die Andachten in St. Aloysius derzeit nicht besuchen.

Ralf Tiemann

Iserlohn „Zuhören, runterkommen, vielleicht sogar Freude“ – es mischte sich eine gewisse Art von Ungläubigkeit in die Begrüßungsworte von Martin Niedzwiecki. Ungläubigkeit darüber, dass er sich als Musiker tatsächlich auf einer Bühne befindet, dass da ein Live-Publikum vor ihm sitzt, und dass man gemeinsam in dieser düsteren Zeit sogar so etwas wie Freude empfinden kann. Man ist in diesen Dingen ja wirklich ein wenig aus der Übung gekommen.

Die musikalischen Andachten in der Aloysius-Kirche, zu denen Iserlohns Kantor Tobias Leschke seit März regelmäßig einlädt, sind das einzige Format weit und breit, bei dem das derzeit unter strengen Hygiene-Auflagen, mit größten Abständen im Publikum und angereichert mit Gebeten und Gedanken zum jeweiligen Anlass möglich ist. Seit einem halben Jahr gibt es ansonsten nichts, was auch nur entfernt an ein Konzert erinnert.

Am Donnerstagabend zum Start in den Marienmonat Mai war nun das von Niedzwiecki geleitete Hemeraner Klarinetten-Quartett zu Gast und hatte Musik von „Beethoven und seinen Freunden“ im Programm. Musik aus der Wiener Klassik also, die dem frühlingshaften Anlass entsprechend Freude pur ausdrückte, leicht, elegant, beschwingt und voller Witz – quasi ein Klang gewordenes „Es geht bergauf“.

Genau auf ein solches „Es geht bergauf“ hofft nun auch Martin Niedzwiecki sehnlicher als auf sonst etwas. „Mir fehlt die Musik und mir fehlen die Auftritte“, sagt der ehemalige Leiter der Musikschule Hemer, der in besonderem Maße von der Pandemie ausgebremst wurde. Im August 2019 war er in den Ruhestand gegangen. Nach einigen Monaten des Selbstsortierens wollte er eigentlich im vergangenen Frühjahr als Musiker wieder richtig loslegen: Der Orchesterverein Hemer, zwei Männerchöre und natürlich die klassische Musik als Klarinettist vom Duo bis hin zu seinem Quartett. „Ich hatte so viel vor“, sagt Niedzwiecki, der keine musikalischen Schranken und Scheuklappen kennt, weswegen ihn die Schranken der Pandemie auch besonders hart getroffen haben. „Wer so gestrickt ist wie ich, will einfach nur spielen“, sagt er. Anfragen und Gelegenheiten hätte es eigentlich genug gegeben, keine davon konnte er wegen Corona umsetzen – kein einziger Auftritt seit einem Jahr.

Musikprogramm auf höchstem Niveau

Umso dankbarer waren er und seine Quartett-Partner Birgit Maiworm, Noriko Kirch und Klaus Leser nun darüber, dass Tobias Leschke diese Andachten mit Gebeten möglich macht. Natürlich wäre dieses Programm eigentlich ein Fall für das Pankratius-Forum gewesen. In der riesigen Kirche ist immer zu befürchten, dass sich die Klänge gerade in den schnellen Sätzen im hohen Gewölbe verhaken und überlagern. In der Tat ging im Vergleich zur kammermusikalischen Situation in einem kleinen Saal Einiges an Transparenz und Klarheit verloren – besonders auffällig sicherlich bei Beethovens berühmtem Kopfsatz der fünften Sinfonie (ta ta ta ta) mit den schnellen fugenartigen Einsätzen durch alle Stimmen. Aber selbst dieses Extrem-Stück hat großen Spaß gemacht. Was für die langsamen und eher lyrischen Sätze von Mozart, Haydn oder Karl Ditters von Dittersdorf erst recht galt.

Seit Februar ist es Berufsmusikern wieder gestattet, zu fünft und bei entsprechendem Abstand zu proben, was das Klarinetten-Quartett auch im großen Saal des Casinos am Sauerlandpark genutzt hat. Und dabei haben sich die vier Musiker natürlich gezielt auf diesen einmaligen Corona-Auftritt vorbereitet, was am Donnerstag auch hörbar war. Musikalisch einwandfrei, dynamisch bewegt und sehr sauber im Zusammenspiel bot das Quartett ein Programm auf höchstem Niveau.

Freude am Spielen und Freude am Genießen

Noch positiver fiel aber ins Gewicht, dass all das überhaupt möglich war. „Musizieren zu dürfen, ist wirklich ein Geschenk“, bemerkte Martin Niedzwiecki am Ende. Und Musik hören zu dürfen, ist auch ein Geschenk, was nicht nur der sehr gute Besuch, der die 70 erlaubten Plätze fast ausschöpfte, sondern auch der tosende Applaus am Ende bewies. Und da war sie dann auch unübersehbar wieder da, die Freude: Spielfreude bei Musikern, und Freude am Genießen beim Publikum – geht doch noch.

Am Sonntag, 23. Mai, geht es um 17 Uhr mit den musikalischen Andachten in der Aloysius-Kirche weiter. Die Organistin Franziska Classen aus Unna spielt dann unter dem Titel „Komm, heiliger Geist“ geistliche Musik zum Pfingstfest.

 


Noch ein Jahr ohne Chorkonzerte?

29. Januar, 2021
Die Kantoren der Stadt blicken skeptisch in die Zukunft. Wann wieder gesungen werden kann, weiß niemand, und auch Instrumentalkonzerte werden weiter verschoben.
 

Ralf Tiemann

Iserlohn Für Iserlohn war es eine große Errungenschaft, als das Kantorenehepaar Ute und Hanns-Peter Springer als Leiter des evangelischen Kantorats im Jahr 2010 zusammen mit dem damaligen Kantor im katholischen Pastoralverbund, Tobias Aehlig, das erste gemeinsame Jahresprogramm der Kirchenmusik vorgelegt haben – ein Vorreiterprojekt der Ökumene in Iserlohn und für die Kirchenmusik im ganzen Land, vor allem ein Quantensprung für das Musikleben der Stadt. Schließlich haben die Iserlohner Konzertgänger seitdem die kompletten Planungen ihrer aktivsten Musiker auf einen Blick.

Eigentlich hätten wir das Jahresprogramm 2021 schon längst in unserer Zeitung vorgestellt. Wenn es denn eins gäbe. Geplant wird aber auch in der Kirchenmusik, die das Musikleben in Iserlohn sonst so bestimmt, schon lange kaum noch etwas. „Der Chorbetrieb ist ja ohnehin der letzte, der wieder starten darf“, sagt der katholische Dekanatskantor Tobias Leschke – immer noch leicht erschüttert, dass ausgerechnet das Singen neuerdings so gefährlich ist. Eine Erschütterung, die auch Hanns-Peter Springer teilt. Wer einen Einblick in seine Erfahrungen des letzten Jahres gewinnen möchte, dem sei sein digitaler Neujahrsempfang auf dem Youtube-Kanal „Versöhnung Iserlohn“ empfohlen. Singen löst da das „Wingsuit-Fliegen“ als gefährlichstes Hobby ab.

Große Hoffnungen, in naher Zukunft wieder mit de Chören proben zu können, haben jedenfalls beide nicht. Vielleicht wieder ab Sommer? Das wäre schön, sagt Tobias Leschke. Und es wäre absolut notwendig, um das Mozart-Requiem, das im vergangenen November ausfallen musste, im kommenden November zu wiederholen. Leschke ist aber skeptisch, ob das klappt. Bis dahin gibt es virtuelle Angebote, Videos und mit seinem jungen Chor plant er eine Karnevalsfeier per Zoom – man schlägt sich halt so durch.

Immerhin hat er noch einige Instrumentalkonzert für das erste Halbjahr angesetzt (siehe Infokasten unten). Den Auftritt des Amadeus-Guitar-Duos, eigentlich für den Valentinstag am 14. Februar geplant, musste er aber schon wieder in den Mai verschieben.

Die ewige Verschieberei hat Hanns-Peter Springer schließlich dahin gebracht, gar nichts mehr aktiv zu planen – auch keine kleinen Instrumentalkonzerte ohne chorische Aerosol-Gefahr. Im Juni gebe es einen landeskirchlichen Orgeltag, da werde er sich beteiligen. Aber sonst gibt es keinerlei Termine. „Wir haben letztes Jahr zweimal gesessen und alles verschoben“, sagt er. Und das erzeuge keine gute Stimmung und keinen positiven Geist.

„Ich möchte weg vom Hangeln und Vertrösten“, sagt er. Stattdessen möchte er mit seiner Frau lieber positive Signale senden. Beide sind mit Video-Angeboten und virtuellen Chorprojekten sehr aktiv. Da gebe es durch Corona plötzlich sehr viel Knowhow. Es sei bemerkenswert, wie viele Menschen sich da aktiv einbringen und wie viele starke Beiträge allein zu Weihnachten so kurzfristig produziert worden seien. Eine Mobilisierung und Emanzipierung der Gemeinden, die Springer als sehr spannend empfindet, und die auch für die Nach-Corona-Zeit sehr wertvoll sein könne.

Den Kopf für das Positive frei bekommen

Von der Hoffnung auf einen baldigen Neustart für seine Chöre lässt er sich momentan aber nicht mehr antreiben. Eine Wiederholung des im November ausgefallen „Messiahs“ im kommenden Herbst sieht auch er skeptisch. Lieber entspannt er sich und macht den Kopf frei für andere Projekte. Nicht nur per Video. „Ich bin dazu übergegangen, Briefe zu schreiben, und gehe mit einzelnen Chormitgliedern spazieren. Das ist wertvoller als die negative Energie des Absagens.“

 
 

“Freut euch” mitten in der Pandemie

15. Dezember, 2020

Aktuelle Corona-Entwicklung ist auch bei „Geistlicher Abendmusik“ besondere Herausforderung

Trotz der Pandemie war die stimmungsvoll erleuchtete Aloysius-Kirche am dritten Adventssonntag gut besucht.

Trotz der Pandemie war die stimmungsvoll erleuchtete Aloysius-Kirche am dritten Adventssonntag gut besucht.
Anna Kristina Naechster sang Arien und Lieder. <b>Max Winkler</b>

Anna Kristina Naechster sang Arien und Lieder. Max Winkler

Hubert Schmalor

Iserlohn In der anheimelnd mit viel Kerzenlicht beleuchteten Aloysius-Kirche wurde am dritten Advent mit einer musikalischen Andacht die Reihe der „Geistliche Abendmusiken“ fortgesetzt. Mit „Gaudete – Freuet euch“ sind die Lesetexte des dritten Advents überschrieben und stellen, so Tobias Leschke in seiner Begrüßung, eine besondere Herausforderung angesichts der gerade an diesem Tag bekannt gewordenen weiteren Beschränkungen in der Zeit der Corona-Pandemie dar.

Choräle und Lieder stimmen auf die Weihnachtszeit ein

Diese Herausforderung anzunehmen und mit Hilfe der Musik und biblischer Lesungen für die nach Zuversicht, Trost und Zuspruch suchenden Gläubigen positiv zu wenden, war somit eine aktuelle, neben der Einstimmung auf die Weihnachtszeit, zusätzliche Absicht der Veranstalter. Diese hatten ein Programm aus Chorälen, Kantaten (Bach), Arien (Vivaldi und Händel) und weiteren adventlichen Liedern (Brahms und Cornelius) zusammen gesellt, das mit den eingestreuten Lesungstexten von Pastor Frederic Kernbach hervorragend korrespondierte und den tiefen Gehalt aber auch die Dynamik der Weihnachtsgeschichte zur Geltung brachte. Anna Kristina Naechster (Sopran), im musikalischen Umfeld der Aloysius-Kirche längst eine feste Größe, die Bratschistin Jutta Bednarz und Daria Buriak (Orgel/Klavier) gestalteten das Programm von der Orgelempore aus, meist in Triobesetzung, sehr versiert, mit großem musikalischen Einfühlungsvermögen und technischer Präzision. Kompliment an die jungen Musikerinnen, von denen sicher, nicht nur im regionalen Umfeld, in Zukunft noch verstärkt zu hören sein wird. Ein dankbarer und herzlicher Beifall der doch trotz aller Widrigkeiten zahlreich erschienen Besucher war dann auch der verdiente Lohn für das insgesamt sehr stimmige Gesamtkonzept.

Ob die nächste Veranstaltung der Reihe am 26. Dezember noch zum Tragen kommt, hängt von der weiteren Entwicklung der Pandemie ab. Informationen hierzu bittet der Veranstalter der örtlichen Presse zu entnehmen.

 

Mehr Andacht als ein Konzert

1. Dezember, 2020
Lisa Richter und Fabian Reichart eröffnen mit geistlicher Abendmusik den Advent in St. Aloysius
 
Fabian Reichert und Lisa Richter hatten sich Beethovens „Tochter Zion“-Variationen für den Start in den Advent ausgesucht.                                              <b>Dennis Echtermann</b>

Fabian Reichert und Lisa Richter hatten sich Beethovens „Tochter Zion“-Variationen für den Start in den Advent ausgesucht. Dennis Echtermann

Hubert Schmalor

Iserlohn Mit einer musikalischen Andacht unter Mitwirkung von Lisa Richter (Klavier) und Fabian Reichart (Cello) hat am frühen Samstagabend in der Kirche St. Aloysius die Adventszeit begonnen. Dabei war Tobias Leschke als Veranstalter der notwendige Spagat zwischen einer in der derzeitigen Phase der Covid-Pandemie erlaubten Andacht und einem nicht zugelassenen Konzert durchaus bewusst. Es wurde kein Eintritt genommen, auf Applaus sollte verzichtet werden, und die von Leschke vorgetragenen anregenden und gleichzeitig nachdenklichen adventlichen Texte unterstrichen ebenso den gottesdienstähnlichen Charakter. Auch mit den zwölf Variationen über ein Thema aus Händels Oratorium Judas Maccabäus von Beethoven, Kirchgängern eher als „Tochter Zion“ bekannt, wurde ein gewichtiger Bezug auf die beginnende Adventszeit hergestellt und diese somit stimmungsvoll eröffnet.

Selten zu hören, weil sie so anspruchsvoll sind

Die Variationen über „Tochter Zion“ von Beethoven sind relativ selten zu hören, da sich viele Interpreten den hohen technischen Anforderungen nur ungern zuwenden, kann man dieses Werk doch lediglich in der relativ kurzen (Vor-)Weihnachtszeit öffentlich präsentieren. Die immer wiederkehrend zitierte bekannte Melodie bot dabei eine wohltuende Orientierung, wobei der filigrane Charakter einiger Variationen durch die bekanntermaßen schwierige Überakustik der St.-Aloysius-Kirche leider nicht ausreichend klar zur Geltung kommen konnte.

Die Interpreten des Abends, Lisa Richter und Fabian Reichart, begannen gemeinsam im Jahr 2015 als Instrumentallehrer an der Musikschule Iserlohn und bereichern, nicht erst seitdem, sowohl mit ihren kammermusikalischen und solistischen Auftritten als auch mit ihrer pädagogischen Arbeit die regionale und überregionale Musikszene. Sie meisterten an diesem Abend nicht nur die einführenden adventlichen Variationen, sondern auch die dann folgende, ebenfalls sehr anspruchsvolle Sonate für Cello und Klavier in C-Dur von Ludwig van Beethoven und den ersten Satz aus der Sonate a-Moll von Edvard Grieg sowohl technisch als auch musikalisch absolut souverän, in der Abstimmung präzise und gestalterisch sehr einfühlsam. Während die aus dem Spätwerk Beethovens stammende C-Dur-Sonate durch ihre eigenwillige formale Anlage und die kapriziöse Themengestaltung bereits erste Wege zur Romantik aufzeigt, kann die Grieg-Sonate bereits mit ausgesprochener Expressivität und romantischer Klangentfaltung aufwarten.

Publikum kann sich kurzen Applaus nicht verkneifen

So war es nicht verwunderlich, dass die zahlreich erschienenen Zuhörer, natürlich auf ausreichend Abstand platziert und durchgängig mit Mund-Nasen-Schutz ausgestattet, sich dann nach den letzten Klängen doch nicht einen kurzen aber sehr herzlichen Beifall verkneifen konnten und sicherlich auch der nächsten geistlichen Abendmusik am Sonntag, 13. Dezember, in der Kirche St. Aloysius mit Vorfreude entgegensehen.

 
 

Wenn Musik und Gesang verstummt…

27. November, 2020

Viele Veranstaltungen musste Dekanatskirchenmusiker Tobias Leschke wegen Corona streichen Foto: Annabell Jatzke

Ein umfangreiches Programm hatte Tobias Leschke für 2020 ausgearbeitet, die Pandemie machte ihm allerdings einen Strich durch die Rechnung. Foto: Annabell Jatzke
veröffentlicht am 27.11.2020
Lesezeit: ungefähr 4 Minuten

Dekanat Märkisches Sauerland. Viel gehofft, gebangt und gekämpft hat Dekanatskirchenmusiker Tobias Leschke in den letzten Wochen und Monaten. Musik ist für den 29-Jährigen nicht nur beruflich alles. Natürlich musste er in Zeiten der Corona- Pandemie herbe Rückschläge entgegennehmen. 

Als einer der Ersten nahm Dekanatskirchenmusiker Tobias Leschke im Dekanat Märkisches Sauerland den Probenbetrieb seiner Chöre nach dem ersten Lockdown wieder auf. Im August probte Leschke unter bestimmten Voraussetzungen wieder mit dem Jungen Chor Iserlohn und dem Collegium Vocale Iserlohn. Der Grundtenor war dabei positiv. Die meisten Chormitglieder freute es, dass es endlich wieder weitergehen konnte. Verbindet die Musik doch sehr. Selbstverständlich hatte Leschke seinerzeit auch mit kritischen Stimmen zu kämpfen. Er kommuniziert öffentlich, dass es zwar ein gewisses Restrisiko beim Proben gibt, aber jeder dies für sich selbst entscheiden müsse. 

Wechselbad der Gefühle 

Dann folgte Ende Oktober mit der zweiten Welle wieder die Einstellung der Probenarbeit. Beide Chöre stellten die Proben zeitgleich aufgrund von steigenden Infektionszahlen eigenverantwortlich ein. Zunächst hatten die Chöre es in Erwägung gezogen, die Proben vom Pankratius- Forum wegen des Platzangebotes in die benachbarte St.-Aloysius- Kirche zu verlegen. Die Entscheidung vom Erzbistum Paderborn, die wenige Tage später getroffen wurde, untersagte die Proben dann offiziell. 

Angst, Hoffnung, Enttäuschung – ein wahres Wechselbad der Gefühle, in dem sich auch Tobias Leschke befindet. Und gerade die Enttäuschung war besonders groß. „Man stellt sich langsam die Frage, wozu bin ich da?“, so Leschke, dem im Bereich der Kirchenmusik, für den er eingestellt wurde, in Pandemie- Zeiten die Hände gebunden sind. Natürlich bleibt sein Terminkalender nicht  gänzlich leer. „Nur ist er nicht so gefüllt, wie ich mir das wünsche“, so Leschke, der für die Musik brennt. Sitzungen und Verwaltungstätigkeiten  sowie die Nachwuchsförderung an der Orgel bleiben. Aber was heute noch erlaubt ist, ist morgen schon wieder überdacht – vieles ändert sich im Moment täglich.

Kein Ersatz für Live-Erfahrung

Alternativen zur Chorprobe vor Ort gibt es nicht unbedingt. Leschkes Chöre arbeiten an Youtube- Videos, in denen möglichst viele Stimmen daheim aufgenommen werden. Und auf dem Youtube- Kanal des Erzbistums beispielsweise gibt es regelmäßig Orgelvideos. Aber was ist das alles gegen die Live- Erfahrung? Bei den Chorproben wird auch die Gemeinschaft ganz groß geschrieben – und die leidet bei Social Distancing natürlich. 

Leschke persönlich schmerzt am meisten der Ausfall des Mozart- Requiems. Dieses sollte anlässlich des 75. Jahresgedenkens des Endes des Zweiten Weltkrieges am 8. November unter dem Motto „Et Lux perpetua luceat eis“ in St. Aloysius aufgeführt werden. Die beteiligten Chöre des Pastoralverbundes Iserlohn sowie Solisten und Orchester hatten unter der Leitung von Leschke bereits ein Viertel des Werkes eifrig einstudiert. Aufgrund der Einschränkungen musste die Veranstaltung dann aber leider ausfallen und stattdessen fand nur eine musikalische Andacht statt.

Adventszeit ohne Musik unvorstellbar

Musikalische Andachten sind erlaubt, Konzerte hingegen nicht. Am 13. Dezember wird in St. Aloysius unter dem Titel „Ich verkündige euch eine große Freude“ zu einer weiteren musikalischen Andacht im Advent eingeladen. Und auch am zweiten Weihnachtsfeiertag bietet die Gemeinde eine musikalische Andacht unter dem Motto „A  ceremony of nine lessons and carols“. Die Veranstaltungen fangen jeweils um 17.00 Uhr an. 

Dank der musikalischen Andachten ertönt wenigstens etwas Musik in der Advents- und Weihnachtszeit. Weihnachten ohne Musik und Gesang, das geht nach Aussage von Leschke nicht. Genauso schwer findet er es, Gottesdienste ganz ohne Musik und Gesang zu gestalten. „Die Adventszeit steht und fällt mit den Liedern“, so Leschke, der sich natürlich auch bewusst ist, dass man in der aktuellen Zeit nicht lautstark und voller Überzeugung „Macht hoch die Tür“ oder „Tochter Zion“ singen kann. Einerseits aufgrund der Einschränkungen, andererseits ist die Vorfreude aufs Fest in diesem Jahr durch die Pandemie getrübt. 

Mit einem Wunsch wird Leschke dann sicherlich Silvester ins neue Jahr starten: dass endlich der Probenbetrieb wieder aufgenommen werden kann und dass man explizit für Konzerte Programme einstudieren kann. Die Hoffnung ist allerdings auch ein Stück weit gebremst. Für das erste Halbjahr sieht Leschke erst mal noch keine rosige Zeit vo raus. Aber die Hoffnung stirbt gewissermaßen zuletzt.


Donnernder Applaus für Bläser

6. Oktober, 2020

 

Ein vielfältiges Programm von Bach bis Richard Strauss, oft sehr symphonisch angelegt, wie bei Dvoraks „Symphonie aus der neuen Welt“ und ausgesprochen farbenreich musiziert, hat Stefan Beumers am Sonntag mit seinen Bläsern in der Aloysius-Kirche gespielt. Eigentlich als Jubiläumskonzert für „Iserlohn Brass“ geplant, fiel das Konzert nun unter dem Titel „Friends in Brass“ in der Besetzung etwas kleiner, aber keineswegs weniger begeisternd aus. Mit rund 120 Gästen kam die Aloysius-Kirche an ihre derzeitigen Kapazitätsgrenzen. Am Ende gab es donnernden Applaus.


Singen? Erlaubt aber im Grunde unmöglich

29. August, 2020

Die ambitionierteren Chöre in den Kirchen nehmen die Proben unter Corona-Bedingungen wieder vorsichtig auf. Bei den traditionellen Vereinen ist hingegen zu befürchten, dass rund ein Jahr Pause die Chorlandschaft verändert

Anna-Kristina Naechster übernimmt die Stimmbildung im Jungen Chor an St. Aloysius. Mit dem gebotenen Abstand und offenen Fenstern ist das in der kleinen Gruppe wieder möglich. <b>Michael May</b>

Auch die Seniorenkantorei von Hanns-Peter Springer singt wieder gemeinsam – so lange es möglich ist, im Kirchgarten der Obersten Stadtkirche.

 
Anna-Kristina Naechster übernimmt die Stimmbildung im Jungen Chor an St. Aloysius. Mit dem gebotenen Abstand und offenen Fenstern ist das in der kleinen Gruppe wieder möglich. Michael May
 

Ralf Tiemann

Iserlohn Vier Meter nach vorn, drei Meter zur Seite – so lauten aktuell die Abstandsregeln, wenn man gemeinsam singen möchte. Man kann sich ausrechnen, was für Räume man braucht, wenn man schon mit einem kleineren Chor von 20 bis 25 Sängern proben möchte – geschweige denn auftreten. Singen? Ist grundsätzlich erlaubt, unter diesen Umständen aber schlichtweg nicht möglich – jedenfalls für kleinere Chöre, die sich zum Spaß und für die Gemeinschaft treffen

„Das Chorleben ist komplett zum Erliegen gekommen“, sagt Sieglinde Kuhlmann, die irgendwann nach Corona den Vorsitz des Kreischorverbandes Iserlohn übernehmen soll. „Es ist, auf gut Deutsch, eine Scheißsituation“, findet Helmuth Wegener, der coronabedingt den Vorsitz noch inne hat, sehr klare Worte für das, was den Chören in Iserlohn und überall derzeit widerfährt. Es gebe Chöre, die versuchen, draußen etwas zu machen oder per Whatsapp den Kontakt halten. Aber Singen mit den beschriebenen Abständen auf einer Wiese, da höre man gar nichts, das sei eher ein Witz. Und nichts könne am Ende die Gemeinschaft und die Geselligkeit bei den Proben, das normale Chorleben und die Freude am gemeinsamen Singen aufwiegen.

Die soziale Komponente der nun schon seit einem halben Jahr andauernden Chorpause, die nach aller Voraussicht auch noch bis mindestens Ende des Jahres anhalten werde, wiegt auch für Sieglinde Kuhlmann viel schwerer als der musikalische oder der finanzielle Verlust. Gerade für ältere Mitglieder sei der fehlende persönliche Kontakt wirklich schlimm. Die Angst gehe um, dass sich einige ältere und ohnehin schon angeschlagene und überalterte Chöre nach der Pause gar nicht mehr aufraffen können. „Wer weiß, ob wir uns alle danach wieder zusammenfinden werden“, lautet die bange Frage, die sich auch Helmut Wegener stellt. Er habe schon von dem einen oder anderen Chor gehört, bei dem die Zukunft durch Corona wirklich auf der Kippe steht.

Die finanziellen Verluste machten sich inzwischen aber auch deutlich bemerkbar. Denn die Kosten für das Chorleiterhonorar oder die Saalmiete liefen ja weiter. Bei einer Durchschnittsgröße von 20 bis 25 Sängern und einem Jahresbeitrag von pro Kopf 100 Euro habe ein Chor in der Regel nur an die 2500 Euro im Jahr zur Verfügung. Allein das Chorleiterhonorar liege aber bei 300 bis 400 Euro im Monat. „Man kann sich da leicht ausrechnen, dass kein Chor ohne Zusatzeinnahmen aus Konzerten oder Auftritten bei Geburtstagen oder Hochzeiten auskommt“, sagt Wegener. Doch derzeit sei all das ja nicht möglich. Es gebe zwar Finanzhilfen des Landes auch für Vereine für Laienmusik und Brauchtumsvereine, die jeder Chor über den Chorverband beantragen könne, viel sei das aber nicht.

Alma Dauwalther hat sich erstmal von Chören getrennt

Jeder Chor versuche unter diesen Umständen, seine Chorleiter auch in der Krise zu bezahlen. Doch das sei nur für eine begrenzte Zeit möglich. „Meine Chöre waren sehr solidarisch mit mir. Das hat mich sehr gefreut“, sagt etwa Alma Dauwal­ther, die zuletzt fünf Chöre geleitet hat. Fünf Monate hätten sie durchgehalten und seien enger zusammen gerückt. Dann ist die Dirigentin von sich aus auf die Chöre zu gegangen und hat um die Auflösung der Verträge gebeten. „Das ging nicht so weiter“, sagt sie, „ich kann kein Geld für etwas bekommen, was ich nicht tue“. Nun hat sie keinen Chor mehr und bezieht Arbeitslosengeld. Und sie geht davon aus, dass es vielen Chorleiterinnen und Chorleitern ähnlich geht. „So traurig sieht es derzeit aus“, sagt sie. Alles werde gelockert, nur das Singen nicht. „Und gerade das Singen vermissen die älteren Menschen sehr.“ Dennoch blickt sie optimistisch in die Zukunft. „Wir kommen da durch. Viele Chöre unternehmen auch andere Dinge, um den Kontakt zu halten.“ Auch Sieglinde Kuhlmann versucht Optimismus zu verbreiten. „Ich hoffe und glaube, dass die Chöre trotzdem schöne Erlebnisse haben“ – auch wenn es derzeit nicht mit „Gesang direkt in die Herzen der Menschen“ gehe.

Lebenserhaltungsmaßnahmen nach der langen Pause

Etwas anders sieht die Situation bei den großen Kirchenchören aus, denn der Verlust des Gesangs in den Kirchen wiegt sehr schwer, die Festlichkeit geht an vielen Stellen verloren und ein Weihnachtsfest ganz ohne Chöre mag sich niemand so recht vorstellen. Tobias Leschke, Leiter der katholischen Chöre an St. Aloysius, fährt beispielsweise den Probenbetrieb langsam wieder hoch. Mit den 16 Leuten vom Jungen Chor gehe das schon mit dem geforderten Abstand für ein Stündchen bei offenen Fenstern. Auch das große „Collegium Vocale“ möchte er in Kleingruppen bald wieder proben lassen.

„Das sind erst mal Lebenserhaltungsmaßnahmen, wir haben viel zu lange nicht geprobt, und es ist ja kein Ende in Sicht“, befürchtet auch er einen dauerhaften Schaden, wenn es nicht so langsam wieder losgeht. Ein richtiges Ziel für den Chor gebe es noch nicht. „Wir können unter diesen Bedingungen nicht auftreten.“ Was auch für die Kantorei an der Obersten Stadtkirche auf evangelischer Seite gilt. Doch auch da wird schon wieder geprobt, in kleinen Gruppen sowohl bei den Kindern und Jugendlichen als auch bei den Erwachsenen. Und die Seniorenkantorei? „Hallo?! Die ist voll da“, freut sich Kantor Hanns-Peter Springer über die begonnene Probenarbeit im schmucken Kirchgarten über die große Motivation bei den Senioren und die Dankbarkeit der Sängerinnen und Sänger, dass man wieder zusammenkommt.

Der Blick auf die kleineren Kirchenchöre ist aber auch hier eher bange. Die meisten Chöre pausieren bis mindestens Ende des Jahres. Wenn es wieder losgehen sollte, haben sie schon fast ein Jahr Pause hinter sich. Wie das die Chöre und die ganze Chorlandschaft verändert, wird man erst dann sehen. „Es ist zu befürchten, dass Corona wie ein Beschleuniger für die ohnehin schwierige Entwicklung bei den älteren Chören wirkt,“ sagt Leschke.

Ähnliches befürchtet auch Hanno Kreft, der verschiedene Chöre – weltlich und geistlich – leitet und bei dem als Soloselbstständiger als Sänger und Stimmbildner derzeit auch vieles wegbricht. Mit seinem Lüdenscheider Frauenchor probt er derzeit im Stadion, seinen Gerling­ser Kirchenchor versorgt er auf digitale Weise. Seine Beobachtung: „In Corona zeigt sich ganz deutlich, wer wirklich interessiert am Singen ist, und wer nur so mitschwimmt“. Es trenne sich ein wenig die Spreu vom Weizen, und es gebe Chöre, die sehr engagiert von sich aus Wege suchen und finden, um zusammen zu bleiben, und andere, die die Krise wohl nicht überleben werden.

Wie viele andere im Chorgeschäft ärgert auch er sich maßlos über alle, die Corona leugnen, verharmlosen und durch ihr unbedachtes Verhalten viel aufs Spiel setzen. Die Soloselbstständigen seien die zweitgrößte Berufsgruppe in Deutschland, und viele gingen kaputt, wenn sich die Lage wieder verschärfe oder die Normalisierung bei Konzerten und Veranstaltungen zu lange auf sich warten lasse. „Wir müssen lernen, verantwortungsvoll mit dem Nächsten umzugehen. Die Leute denken aber leider nur an sich.“

 

Bloß kein Gesichtszucken

27. August, 2020

Peter Albrecht beendete die Sommerklänge mit einem furiosen Orgelkonzert. Beim Umblättern geht er neue Wege

Pokerface an der Orgel: Peter Albrecht blättert die Noten mit einem Mundzucken um.                                              <b>Ralf Tiemann</b>

Pokerface an der Orgel: Peter Albrecht blättert die Noten mit einem Mundzucken um. Ralf Tiemann

Ralf Tiemann

Iserlohn  Wer am Dienstagabend beim Abschluss der diesjährigen Sommerklänge in der Aloysiuskirche war, konnte zwei ziemlich wuchtige und hochvirtuose Großwerke hören. Der junge Kölner Kantor Peter Albrecht hatte Bachs monumentales Präludium mit Fuge in e und die nicht minder beeindruckende dritte Orgelsymphonie von Louis Vierne ausgesucht, um das ruhig fließende, meditative „Pari Intervallo“ von Arvo Pärt einzurahmen. Ein starkes Programm, bei dem man sich gerade bei den halsbrecherischen Kopf-Werken am Anfang und am Ende einen wild auf der Orgelbank wirbelnden, ackernden und sich verausgabenden Orgelvirtuosen vorstellt. Aber weit gefehlt. So ruhig und regungslos wie am Dienstag hat sich Peter Albrecht vermutlich noch nie zuvor durch ein solches Programm gekämpft. Denn er hat erstmals allermodernste Digitaltechnik als Ersatz für das seit Jahrhunderten gebräuchliche Notenheft verwendet.

Und das geht so: Auf dem Notenpult der Orgel steht ein iPad auf dem Noten zu lesen sind. Anstatt nun umzublättern, was für jeden Musiker eine unangenehme Sache ist und wofür meistens ein zweiter Musiker als Umblätterhilfe anwesend sein muss, muss Albrecht nun nur noch in die richtige Richtung mit dem Mund zucken, und wie von Geisterhand blättert das iPad um. Es verfügt nämlich über eine Gesichtserkennung, bei der der Spieler einstellen kann, worauf die App reagiert. Naserümpfen, Kopf wackeln, Augen aufreißen – Peter Albrecht hat sich für ein dezentes Lippenzucken entschieden. „Ich könnte das nicht“, sagt Iserlohns Kantor Tobias Leschke, der Peter Albrecht nach Iserlohn eingeladen hatte. Dafür sei sein Gesicht beim Spielen zu aktiv. Ob es Peter Albrecht klappen würde, wusste er selbst vorher nicht. Zur Absicherung stand Tobias Leschke das ganze Konzert über mit den gedruckten Noten bereit. „Man kann damit sicherlich auch ganz schön auf die Nase fallen“, befürchtete Peter Albrecht. Es hat dann aber alles bestens geklappt. Der junge Mann erwies sich als echtes Poker-Face auch in den schwersten Stürmen des organistischen Klangwustes. Und es hat sich seinem Gesicht glücklicherweise auch keine Wespe genähert.

Unten war davon wie schon gesagt nichts zu merken. Und so wurde dieses Orgelkonzert ein recht furioser Schlusspunkt einer Sommerklänge-Reihe, von der wegen Corona lange nicht klar war, ob sie wirklich stattfinden kann. Die Entscheidung, die vier Konzerte durchzuziehen, habe sich aber als komplett richtig herausgestellt, wie Kantor Tobias Leschke sagt. Auch wenn die Hygiene-Vorschriften gerade für den Förderverein der Kirchenmusik an Aloysius, der die Konzerte organisiert, erheblich mehr Aufwand bedeutet hat. Dennoch: „Das war eine gute Sache. Es hat gut getan, die Reihe zu machen“, freut sich Leschke in einem Resümee. Die Besucherzahl sei immer sehr hoch gewesen, fast immer an der Grenze des Erlaubten. Und das sicherlich auch wegen der Zusammenstellung und der durchweg hohen Qualität. Es hat vier sehr unterschiedliche Formate und Besetzungen gegeben, bei denen die Interpreten in der Tat durch die Bank überzeugt und das Publikum begeistert haben. Und der erste Abend mit der coronabedingt einzigartigen Situation mit dem Publikum vor und dem Pianisten im Forum, wird vermutlich ohnehin unvergesslich bleiben.

Viele Gründe also die Reihe auch 2021 weiterzuführen – unter welchen Umständen auch immer. Die Planungen für die nächsten Sommerklänge laufen schon